Von Suhaia nach Silistra und Resümee der 7. Etappe

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Noch nie habe ich für einen Blogbeitrag ein Titelbild gewählt, das so wenig repräsentativ ist. Allerdings fotografiere ich einfach nicht, wenn es regnet. Aber der Reihe nach.

09.10.2020
Der Wetterbericht hat sich nicht geirrt. Mürrisch mümmel ich auf der überdachten Veranda von Gabriele mein Frühstück rein und beobachte den Himmel, der eine endlose, tief hängende, undefinierbare und graue Maße ist, aus der es Schnürsenkel regnet. Gabriele bietet mir an, zu einem vergünstigten Preis noch eine Nacht zu bleiben. Bei dem Wetter verlockend – aber was soll ich in Suhaia? Mit meiner gebrochenen Speiche benötige ich zudem Hilfe und vor mir liegt das Wochenende. Großartige Unternehmungen bieten sich bei dem Wetter auch nicht an, zumal Suhaia jetzt nicht gerade der Nabel der Welt ist… Und regnet es da nicht gerade wenigstens ein bisschen weniger?!
Ein paar Minuten später sitze ich auf dem Rad und natürlich regnet es nicht weniger. Und wie das regnet! Das Wasser scheint von überall zu kommen. Von oben, von unten, von der Seite. Von der Seite im wahrsten Sinne des Wortes, denn aufgrund der grundsätzlich massiven Spurrillen der Straßen im Balkan (ist das eigentlich ein besonderes, regionales Stilmerkmal des Straßenbaus?) pflügt jedes überholende Fahrzeug mit einer riesigen Bugwelle zur rechten und zur linken an mir vorbei, die mich regelmäßig duscht. Das ist noch nicht mal böser Wille der Autofahrer, die teilweise wirklich langsam überholen. Die Bodenbeschaffenheit lässt einfach gar nichts anderes zu. Nach ungefähr einer Stunde bin ich naß bis in die letzte Ritze und versuche nur noch, mich mit immer neuen Schichten an Kleidung wenigstens warm zu halten um nicht krank zu werden.
Nach kurzer Zeit erreicht mich dann noch eine Nachricht des Fahrradhändlers in Russe, der mich wissen lässt, dass er das Rad übers Wochenende da behalten muss weil der Mechaniker keine Zeit hat.

Hatte ich eigentlich schon einmal erwähnt, wie ich navigiere? Schilder gibt es ja zumindest in Bulgarien und Rumänien nun gar nicht mehr. Nun – ich habe mir vor der Reise die Donauradweg-Serie von Bikeline gekauft. Das sind fünf Bände. Um nicht alle Bücher mitnehmen zu müssen hatte ich zunächst nur die beiden Bände bis Wien dabei. Gerd sollte dann die restlichen Bände mit nach Wien bringen. Einmal tauschen sozusagen. Leider ist das Paket mit den Reiseführern aber in der Post auf dem Weg zu Gerds Wohnung in München verschollen. Daher habe zur Navigation nur die von Bikeline zur Verfügung gestellten Gpx-Tracks. Das ist natürlich eigentlich schon in Ordnung weil ziemlich genau, hat aber zwei Nachteile:
Ich bin völlig von meinem Handy abhängig. Noch so ein Gerät, das kaputt gehen könnte. Und dann steh ich da. Ich habe mehrfach unterwegs versucht, zusätzliches Kartenmaterial zu bekommen weil mir einfach nicht wohl dabei ist, mich nur auf die Technik zu verlassen. Aber es gibt einfach nichts – weder in der Tourismusinformation noch im Buchhandel war eine halbwegs vernünftige Karte zu bekommen. Nun bin ich einfach abhängig von meinem Smartphone.
Der zweite Nachteil ist, dass mir die ganzen wichtigen Registerinformationen (zum Beispiel zu Fahrradwerkstätten und Privatunterkünften entlang des Weges) fehlen. Ich bin daher auch hier völlig auf das Internet angewiesen, das gerade viele kleinere Beherbergungsplätze gar nicht kennt. Meine Tagesetappen plane ich daher hauptsächlich nach dem Kriterium, wann ich wieder einen Platz zum schlafen bekommen kann. Das ist leider auch nicht immer ideal.

Warum ich das schreibe? Nun – mein verschollenes Paket ist nach mehreren Wochen der Unauffindbarkeit wieder zu Hause im Briefkasten gelandet. So konnte ich Milena darum bitten, mir noch eine alternative Fahrradwerkstatt in Russe rauszusuchen. Ich hatte überhaupt keine Lust, schon wieder hängen zu bleiben wegen einer Kleinigkeit wie der Speiche. So hatte ich dann nunmehr die Adresse aus dem Reiseführer von Bikeline und die Adresse der Werkstatt, die mir bereits gesagt hatte, dass die Reparatur länger dauern würde.

Kurz vor Giurgiu (dem Grenzort auf der Rumänischen Seite der Donau) gesellte sich zu meinem Achter auch noch ein unangenehmes Klappern im Tretlager. Auch beim Fahren selbst spürt man, dass etwas nicht stimmt. Verabschiedet sich nun also auch noch das Tretlager?!

Ich kann es jetzt ohnehin nicht ändern und gebe weiter Gas. Nach 75 Kilometern im Regen und ohne Pause und meist mit herrlichem Gegenwind – mit eierndem Hinterrad und klapperndem Tretlager – erreiche ich die Grenze. Die Brücke über die Donau ist an dieser Stelle über drei Kilometer lang. Die Dimensionen des Flusses da unten sind schon echt beachtlich! Leider ist das Bauwerk gewaltig in die Jahre gekommen. Es gibt nur zwei schmale Fahrspuren für Kraftfahrzeuge und keinen Fuß- oder Radweg. Der Belag ist auch völlig im Eimer. Der Wind pfeift auf der Brücke umso heftiger und ein LKW nach dem anderen zieht im Abstand von wenigen Zentimetern an mir vorbei. Die Dehnungsfugen der Brücke (ineinandergreifende Metallzinken) sind so grob, dass ich nicht drüber fahren kann. Das Rad mit seinen eher schmalen Treckingreifen fällt da einfach durch. Für Autos kein Problem, aber ich muss mehrfach auf der doch ordentlich befahrenen Brücke auch noch absteigen. Als ich in Bulgarien von der Brücke runterfahre bin ich mit meinen Nerven ziemlich am Ende. An der Grenzkontrolle werde ich vom Grenzer verwundert gemustert. Ich kann mir schon vorstellen, dass so ein völlig begossener deutscher Pudel bei so einem Wetter nicht der typische Kunde ist. Der Grenzer fängt an zu lachen – ich weiß nicht ob er mich ausgelacht hat oder ob er die Situation einfach nur lustig fand. Ich fand es doof.
Zum Glück ist es bis zu meiner Unterkunft nun nicht mehr weit. Dort habe ich meine ganzen Sachen einfach ins Zimmer geworfen und mich sofort wieder aufs Rad gesetzt. Da es immer noch regnet, macht es auch keinen Sinn, die Klamotten zu tauschen. Nach 5 weiteren Kilometern erreiche ich die Innenstadt von Russe und steuere den Radladen aus dem Bikeline Reiseführer an. Leider habe ich da kein Glück – der Mechaniker hat Urlaub. Ich beschließe nun doch noch zu dem Laden zu fahren, der mein Rad übers Wochenende da behalten wollte. Vielleicht gelingt es mir ja, ein bisschen Druck zu machen. Als ich dort ankomme erfahre ich, dass der Mechaniker gerade Mittagspause macht. Es ist 15:30. Wann er denn wiederkommen würde? Nun – man würde mit ihm innerhalb der nächsten Stunde rechnen.
Bis er dann auftaucht vergehen zwei Stunden. Ich mache es mir mit meinen nassen Klamotten und mit einem Kaffee in einem nahen Stadtpark gemütlich. Wenigstens hat es endlich aufgehört zu regnen! Als ich dem Mechaniker dann endlich habhaft werde gibt es die üblichen Verständigungsprobleme. Er kann kein Englisch, ich kein Bulgarisch. Ein Mitarbeiter im Radladen hilft mit Übersetzungen und so gelingt es mir, meine Probleme zu schildern.
Ich hatte kurz zuvor noch mit einem fahrradaffinen Bekannten telefoniert. Dieser meinte, es wäre klug alle Speichen nochmal auszutauschen. Nach so einem langen Ritt mit gebrochener Speiche wäre nicht auszuschließen, dass die anderen jetzt auch etwas abbekommen haben. Wenn man nur die eine Speiche richte könne es sein, dass die nächste kurze Zeit später auch bricht. Diese Idee stößt beim Fahrradmechaniker allerdings auf blankes Unverständnis. Was soll ich da machen? Ich kann ihm schlecht erzählen, wie er seinen Job machen soll und willige ein, nur die eine Speiche zu tauschen.
Meine Probleme mit dem Radlager meint er als Problem mit den Pedalen zu identifizieren. Das wäre mir natürlich sehr recht, aber irgendwie glaube ich ihm nicht richtig. Da meine Pedale aber ohnehin die eher schlichten Erstpedale sind und ich selbst merke, dass diese nicht mehr so richtig gut sind, lasse ich mich auf einen Tausch ein. Glück habe ich mit der zeitlichen Planung: Morgen Mittag soll das Rad fertig sein und ich könne weiter. Das wäre früh genug um meine Tagesetappe nach Tutrakan zu schaffen.
Mit einem Taxi fahre ich zurück in die Unterkunft, schäle mich endlich aus den naßen Klamotten und gönne mir eine ausgiebige, heiße Dusche. Danach fall ich tot ins Bett. Was für ein Tag!

Innenstadt von Russe

10.10.2020
Da der Mechaniker erst gegen Mittag fertig sein wollte, habe ich heute einmal Zeit um richtig auszuschlafen. Das brauche ich auch denn ich merke, dass ich mir zumindest doch einen leichten Schnupfen zugezogen habe. Ich fühle mich nicht so richtig fit und etwas angeschlagen.
Gegen 11:00 mache ich mich auf den Weg in die Innenstadt und suche mir erst mal noch ein kleines Frühstück. Dafür laufe ich ein vielversprechendes Kaffee an, an dessen Scheibe ganz groß mit „Breakfast“ geworben wird. Drinnen erfahre ich, dass der Koch nicht da ist. Man wisse nicht wo der sei. Warum ist in Russe eigentlich nie jemand da? Auf der Straße finde ich dann doch noch eine Kleinigkeit zu futtern und mache mich gegen Mittag auf den Weg zum Radladen. Und tatsächlich – mein Rad ist fertig. Ich bin mega erleichtert. Teuer ist die Reperatur auch nicht. Das Teuerste sind bei weitem die neuen Pedale. Für den Service verlangen die Kumpels gerade einmal 15 LEW – 7 Euro. Inklusive neuer Speiche. Ich hoffe einfach, dass sie das jetzt auch ordentlich gemacht haben. Bei einer kurzen Probefahrt kann ich auch kein Geräusch im Tretlager mehr ausmachen und bin schon fast gewillt, der Pedaltheorie zu glauben. Mein Rad ist schnell bepackt und ich bin wieder unterwegs. Das Wetter hat auch endlich ein vorläufiges Einsehen mit mir. War es am Morgen noch fürchterlich grau, lichtet sich am Nachmittag langsam der Himmel.
Leider sollte ich mit meinem Bauchgefühl in Bezug auf das Tretlager recht behalten. Nach ca. 20 Kilometern ist das Geräusch wieder da aber ich zu weit weg um nochmal umzudrehen. Ich kann nur hoffen, dass das Lager die verbleibenden Kilometer jetzt noch durchhält und ein Tausch zu Hause ausreicht.
Ich weiß nach wie vor natürlich auch nicht, ob das Lager wirklich kaputt geht, oder ob bei dem apokalyptischen Regentag nicht irgendwie Wasser und eindringender Schmutz für das Geräusch verantwortlich sind. Tatsächlich wird das klackende Geräusch im Laufe des Tages dann auch leiser, bis es nur noch ein leises Klicken ist, dass vor allem dann auftritt, wenn ich viel Kraft auf die Pedale gebe. Vielleicht ist es auch eine Verkettung von Wasser, Schmutz und Abnutzung? Ich weiß es nicht. Bitte, bitte du Lager – halte noch ein paar Tage durch!
Am Spätnachmittag erreiche ich Tutrakan. Der Ort hat in der Gegend einen guten Ruf als Naherholungsziel an der Donau. Der Ort liegt an einem Hügel und bietet den einen oder anderen wirklich malerischen Blick auf die Donau. Auch von meinem heutigen Zimmer aus habe ich einen Blick auf den Fluss. Dazu scheint die Sonne und versöhnt mich ganz langsam wieder mit den letzten Tagen. Leider geht es mir noch nicht wirklich gut. Die knapp 70 Kilometer heute haben mich ziemlich geschafft. Mein Immunsystem ist ordentlich am arbeiten – das merke ich auch daran, dass mir mal ganz heiß und dann wieder ganz kalt ist.
Am Abend esse ich einen Fisch und falle dann wieder ziemlich rasch erschöpft ins Bett.

11.10.2020
Heute gibt es ein echt tolles Frühstück. Als mir der Teller vorgesetzt wird bin ich erst mal enttäuscht, weil da so wenig drauf ist. Eine Scheibe Schafskäse, ein kleines Schälchen Marmelade und drei goldgelbe Teigfladen. Ob das reicht? Ich beginne zu essen und die Teigfladen entpuppen sich als eine Art ungefüllte Krapfen. Ein flaches Schmalzgebäck, ganz frisch ausgebacken. Das Gebäck ist sowohl mit dem Käse als auch mit der Marmelade ein absolutes Gedicht und schickt sich sofort dazu an, den ersten Platz der Frühstücke dieser Reise zu erobern. Ich bin begeistert. Die Kellnerin verrät mir, dass es sich um Mekiza handelt. Die sind mir bisher noch nicht untergekommen, aber ich notiere mir das sofort um es zu Hause einmal nachzubacken. Einfach toll.
Nach dem Frühstück packe ich mein Rad und will mich gerade auf den Weg machen, als ich von einer älteren Dame in perfektem Englisch angesprochen werde. Ich setze mich noch ein bisschen zu ihr und verquatsche mich völlig. Sue stammt aus Wales und lebt schon seit 15 Jahren in Bulgarien. Es gibt hier wohl eine größere, englischsprachige Community – vorzugsweise Rentner. Sue beklagt sich ein bisschen darüber, dass ihre Landsleute so wenig Integrationswillen beweisen. Sie selbst spricht ein sehr gutes Bulgarisch und ist ein sehr umtriebiger Mensch, der voller Ideen sprüht. Sie schimpft über den Brexit und verrät mir, dass sie die bulgarische Staatsbürgerschaft beantragt hat. Als sie erfährt, dass ich im Tourismus gearbeitet hab, will sie sofort, dass ich zu Besuch komme. In ihrer Wohngegend in Zentralbulgarien läge so viel Potential brach – das müsse man sich doch eigentlich einmal ansehen. Sue selbst ist in Tutrakan, weil sie sich ein Wochenende Ruhe gönnen wollte. Die findet sie zumindest in der Unterkunft nur bedingt – es läuft den ganzen Tag grauenhafter Balkan-Pop weit jenseits einer Lautstärke, die angenehme Gespräche erlauben würde.
Viel zu spät verabschiede ich mich von Sue und mach mich auf den Weg. Das sollte mir noch fast zum Verhängnis werden.

Das Wetter heute scheint mir sehr wohlgesonnen zu sein. Es hat angenehme 24 Grad und ich muss sogar mal wieder eine Schicht Sonnencreme auflegen. Die Landschaft hinter Tutrakan ist ziemlich hügelig. Es geht rauf und runter was mir zu schaffen macht – ich merke, dass ich nach wie vor nicht ganz fit bin, auch wenn mein Schnupfen schon wieder weniger wird. Dafür ist es wirklich sehr hübsch hier. Immer wieder muss ich absteigen, weil der Weg ein alter, kaum befahrbarer Römerweg ist. Da breche ich mir nur wieder eine Felge. Aber dann schieb ich eben ein paar Meter.
Dann das Tagesdesaster: Zwischen den Orten Malak Preslavets und Garavan ist plötzlich keine Straße mehr vorhanden, sondern nur noch eine Art Feldweg. Ich schreibe bewusst „eine Art“ weil durch die Regenschauer der vergangenen Tage vom Weg nichts mehr da ist. Der Untergrund ist eine einzige, zentimetertiefe Matschschicht. Zwischendrin in Senken immer wieder wahre Seen. An manchen Stellen hat abfließendes Regenwasser fast einen halben Meter tiefe Furchen gegraben. Rechts und links davon frisch gepflügte Felder, auf denen auch kein Vorankommen ist. Bis Garavan sind es vielleicht 5 Kilometer entnehme ich meinem Navi. Alle möglichen Umfahrungen bedeuten einen Umweg von mindestens 20 Kilometern und ich bin ja relativ spät erst losgekommen. Das kann ich mir fast nicht erlauben. Dann schiebe ich eben ein Stück. Die 5 Kilometer sollten doch in einer Stunde in etwa zu schaffen sein und vielleicht wird der Weg ja auch wieder besser?
Wenn das mal so einfach gewesen wäre. Der Boden hier ist kein gewöhnlicher Matsch, sondern eine Art sehr kompakter Lehm. Mit den Schuhen versinkt man kaum, steht dafür aber permanent auf einer glatten und schmierigen Lehmsicht die keinerlei Halt bietet. Das Rad hingegen mit seinem Gewicht und den schmalen Reifen versinkt ein paar Zentimeter tief im Lehm. Das ist anstrengend, wäre aber noch nicht mal das schlimmste. Die Maße bleibt an den Reifen kleben und ich habe es mit dem selben Phänomen zu tun, wie beim winterlichen Schneemann bauen. Die Schicht Lehm um meine Reifen wird mit jeder Umdrehung dicker und dicker und ist so klebrig und hart, dass sie von selbst nicht abfällt. Nach kurzer Zeit ist der Spalt zwischen meinem vorderen Schutzblech und dem Reifen komplett mit Dreck verstopft und das Rad blockiert. Das Schutzblech springt aus einer Halterung und bevor noch mehr kaputt geht, schraube ich es ab. Das nützt nur nicht so viel. Ein paar Meter später blockiert der Matsch das Rad in der Gabel.
Das Hinterrad bewegt sich auch nicht mehr. Auch hier ist es durch Matsch unterm Schutzblech völlig blockiert. Ein Abmontieren des Bleches ist hier nicht so ohne weiteres möglich – ich hab ja auch mein ganzes Gepäck auf dem Gepäckträger. Was also tun? Beide Reifen sind wirklich komplett blockiert. Versuche, den Matsch mit den Händen zu entfernen sind sinnlos. Nach spätestens 10 Metern blockieren die Reifen wieder.
Mir bleibt nichts anderes übrig als mein Rad mit samt dem Gepäck zu tragen. Das gelingt mir sogar, aber als ich in Garavan endlich ankomme zittere ich am ganzen Körper weil ich so fertig bin.
Ich versuche mich mit ein paar Müsliriegeln wieder halbwegs auf Spur zu bekommen, was mir aber an diesem Tag nicht mehr gelingen wird.
Am Straßenrand entlade ich mein Rad und stelle es auf den Kopf. Ich benötige richtig massives Werkzeug aus Metall um den Lehm unter den Schutzblechen wieder rauszubekommen. Mit diesem Material könnte man töpfern und unter meinen Blechen ist wirklich eine einziger, kompakter Klumpen.
Das einzig Positive: Das Material hat sich durch seine zähe Konsistenz nur um die Reifen gelegt und hat sonst nicht groß herumgespritzt. Dadurch sind zum Beispiel die Ritzel und die Pedale weitestgehend sauber geblieben und freigängig. Ich benötige trotzdem fast eine Stunde, bis ich meine Räder soweit gereinigt habe, dass sich diese wieder frei drehen können. Fast unnötig zu erwähnen, dass ich auch heute Abend wieder am Ende meiner Kräfte bin, als ich in Silistra ankomme. Aber immerhin – ich bin angekommen und mein Tretlager lebt noch. Bei der ganzen Matschaktion habe ich leider meine Sonnenbrille verloren. Mal sehen, ob ich in Silistra einen brauchbaren Ersatz finde. Es gibt nach wie vor so viele Insekten, dass ich unbedingt etwas vor den Augen brauche.
Da ich nicht mehr so viel bulgarisches Bargeld habe und kurz vor der Grenze nach Rumänien auch nichts mehr abheben will, mache ich mich auf die Suche nach einem Imbiss. Ich finde eine Burgerbude mit Namen „Moskau“. Interessanter Name für einen Burger-Imbiss. Ich stelle auch sofort fest, dass es hier eher eine lokale Variante des amerikanischen Klassikers gibt. Da so ein Burger aber eine ganz ordentliche Portion ist und für umgerechnet 1,80 Euro über den Tresen geht, schlage ich zu.
Anstatt einer Frikadelle landet eine dicke Scheibe im Kontaktgrill gebratener Wurst zwischen den Brötchenhälften. Das erinnert ein bisschen an das DDR-Jägerschnitzel, nur ohne Panade. Darauf kommt eine Joghurtsoße (wie wir sie aus Deutschland vom Döner kennen), Krautsalat, Essiggurken, Tomaten… Und das Highlight: Alte, gut abgehangene, lauwarme und labberige Pommes. Deliziös!
Weil es so lecker ist, packe ich mir gleich zwei Balkan-Burger rein. Danach ist mir schlecht und ich gehe schlafen.

Wurst-Burger mit Pommes vom Moskau-Imbiss in Silistra

Resümee der 7. Etappe
Ich bin in insgesamt fünf Fahrtagen von Vidin in Bulgarien nach Silistra in Bulgarien gefahren. Zwischendurch habe ich die Donau zwei mal auf Brücken überquert und war drei Fahrtage lang in Rumänien unterwegs.
Die Etappe war vor allem überschattet durch Pannen (ein Platten, ein Speichenbruch, Probleme mit dem Tretlager) und dem teilweise wirklich grauenhaften Wetter. In Kombination hat mich das mehrmals an einen Punkt gebracht an dem ich gedacht habe, dass es jetzt einfach nicht mehr geht. Zum Glück geht es dann doch immer weiter.
Aber die Umstände machen es mir auf den letzten Kilometern nochmal nicht wirklich leicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass da vorne am Donaukilometer 0 ein großer Riese lauert, der mir mit vollen Lungen entgegen pustet und Gegenwind erzeugt. Aber bis jetzt habe ich mich nicht unterkriegen lassen.
Meine 7. Etappe von Vidin nach Silistra betrug 476 Kilometer. Zwei Tagesetappen in Rumänien mit jeweils 110 und 119 Kilometern markieren die bisher längsten dieser Reise.
Insgesamt bin ich jetzt 2492 Kilometer unterwegs und befinde mich am 42. Tag dieser Reise.
Bis Tulcea habe ich jetzt nur noch gute 300 Kilometer, aber der Endspurt bleibt knackig. Den heutigen Tag nutze ich zum ausruhen, aber morgen habe ich 100 Kilometer durch richtig hügelige Landschaft vor mir. Das wird der höhenmeterreichste Tag der Reise. Das groteske daran ist, dass die Donau selbst mittlerweile überhaupt kein Gefälle mehr hat. Auf höhe des Wassers befinde ich mich gerade noch 12 Meter über dem Meeresspiegel. Die Berge, die das Ufer der Donau markieren, sind aber bis zu 150 Meter hoch und es geht permanent hinauf und wieder hinunter. Ich hoffe, dass mir wenigstens die Straßen nun ein bisschen hold sind – das sieht zumindest in meinem Navigationsprogramm für morgen ganz gut aus. Weniger gut ist wiedermal die Wetterprognose.
Vier Tage noch!

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Georgina Demmer

    Wow, Bernhard, da machst Du ja ganz schön was mit! Respekt, dass du es schon so weit geschafft hast! Ich drück‘ dir die Daumen, dass du ans Ziel kommst! Herzliche Grüße, Georgina

  2. Elisabeth Widmann

    Ohne Worte! Wie hältst du das nur aus? Ich wünsche dir aus ganzem Herzen, dass du die letzten Kilometer noch irgendwie schaffst. Du kannst echt total stolz auf dich sein, jeder andere hätte inzwischen das Handtuch geschmissen. Ich trau mich deinen Blog schon fast nicht mehr lesen, eine Horrormeldung nach der anderen! „Nur“ noch 400km, und das mit einem kaputten Rad, oh je! Aber mit deinem Willen schaffst du das!! Rad und Speichenbruch! Mama

  3. Nadine

    Mekiza, das musste ich direkt nachschlagen! Scheint was ähnliches wie Langos zu sein- frittierter Teig. Klingt auf jeden Fall herrlich!

    Drücke zudem auch die Daumen für die letzte Strecke!

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