Von Silistra nach Harsova: Es läuft mal wieder

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Ein Blogeintrag ganz ohne Lamento und Katastrophenberichte? Nun – fast 😉 Nach der eher durchwachsenen letzten Phase meiner Reise liefen die letzten beiden Tage echt gut. Davon möchte ich euch heute erzählen. So ging es nach meinem Ruhetag in Silistra weiter:

13.10.2020
Zum Frühstück gibt es heute wieder Mekiza. Einfach lecker das Zeug! Und wie Nadine in meinem Blog ganz richtig kommentiert hat: Das erinnert ein bisschen an die ungarischen Langos.
Ich mach mich ziemlich zeitig vom Acker. Heute habe ich nochmal eine Etappe von über 100 Kilometern vor mir. Dazu kommt, dass mir die bisher meisten Höhenmeter an einem Tag blühen (1400 Meter nach oben). Sowas ist auch bei einer Tour in den Bergen ein ganz ordentliches Tagespensum. Das groteske: Hier gibt es keine Berge. Noch nicht mal mit „Hügel“ lässt sich die Landschaft korrekt umschreiben. Am ehesten könnte man sagen, dass das rechte Donauufer von einer Hochebene gesäumt wird (zwischen 100 und 170 Meter über Donaulevel). In diese Hochebene sind in regelmäßigen Abständen zur Donau hin abfallende Täler eingeschnitten.
In der Praxis heißt das: Hoch auf die Ebene in wirklich exponierte Lage. Das bedeutet vor allem Wind. Und ein paar Meter später geht das wieder bergab hinunter ins nächste Tal oder zur Donau. Landschaftlich ist das sehr schön, aber auch anstrengend.
Bulgarien habe ich heute zum letzten mal auf dieser Reise direkt an der Stadtgrenze von Silistra verlassen. Ab jetzt bewege ich mich nur noch auf rumänischem Boden.
Ja – und dann wird gestrampelt. Und wie! Da brennen die Oberschenkel und auch meine Knie melden sich heute einmal wieder zu Wort – zum ersten mal seit Österreich.
Meine Tour wird begleitet von einem ziemlich heftigen Wind mit richtigen Sturmböen. Meist hab ich diesen schräg von vorne. Aber immerhin: Es ist fast den ganzen Tag trocken, obwohl sich am Himmel schwere Gewitterfronten entlang schieben. Lediglich kurz vor meinem Ziel muss ich mich für 10 Minuten in einer Bushaltestelle unterstellen, weil ganz lokal ein Gewitterschauer niedergeht.
Mein Tretlager knarzt und quietscht fröhlich vor sich hin, es wird aber nicht schlimmer. Leider gelingt es mir nicht so richtig, mich auf meinem Rad zu entspannen. Mir sitzt die ganze Zeit die Angst im Nacken, dass sich das Lager doch noch verabschiedet. Das ist doof. Ich rede mir die ganze Zeit selbst gut zu, dass ich das ja ohnehin nicht in der Hand hab, aber die Anspannung will nicht weichen. Ich muss es irgendwann doch nochmal mit Meditation oder autogenem Training oder so etwas versuchen… Wie auch immer: Der Tag war landschaftlich wunderbar. Die Straßen waren gut. Wind – kann passieren. Und ich hatte keine weiteren Pannen. Insofern erreiche am Abend ganz glücklich meine Unterkunft in Cernavoda.
Die einzige Unterkunft, die in dieser Stadt aktuell buchbar ist, liegt an einer Art Stausee, der zur Karpfenzucht dient. Ich bin der einzige Gast und für den einzigen Tag wird am Abend extra ein Mitarbeiter abgestellt, der mir etwas kocht. Das fühlt sich schon komisch an. Klar – es ist Off-Saison. Aber natürlich hat auch hier wieder Corona die Finger im Spiel. Es ist gruselig.
Für mich gibt es jedenfalls gebackenen Karpfen mit Kartoffeln, der seinen fränkischen Kollegen sicherlich um nicht viel nachsteht.
Das war ein anstrengender, langer und unentspannter Radtag, aber ich bin zufrieden als ich in mein Bett falle.

14.10.2020
Weil ich es gestern so weit hatte, habe ich es heute ganz entspannt. Nur gute 50 Kilometer sind es heute von Cernavoda nach Harsova.
In der Nacht hat es nochmal gewaltig gestürmt und gewittert. Am Morgen verziehen sich aber gerade die letzten Wolken als ich aufbreche. Dafür ist es richtig kalt. Nun – auch in Rumänien wird es irgendwann Herbst und Winter.
Die Strecke ist nicht mehr ganz so steigungsintensiv, aber auch noch nicht ohne. Von meiner Seite der Donau aus hab ich aber immer wieder tolle Ausblicke über den Fluss, und auf die andere Seite die einfach nur unendlich weit und flach bist.
Mein Tretlager macht heute fast keine Geräusche und es gelingt mir tatsächlich, mich mal wieder richtig darüber zu freuen, unterwegs zu sein. Das ist schön und ich genieße das sehr. So einen Tag hab ich wirklich gebraucht.
Meine Bremse macht kurz vor meinem Tagesziel zicken. Die Bremsbacken lösen sich nicht mehr von der Scheibe. Aber das stellt sich als Einstellungssache heraus und ich kann das selber beheben. Hervorragend!

Mein heutiges Tagesziel heißt Harsova. Harsova ist als Siedlung uralt – war schon in der Eisenzeit besiedelt. Die Römer hatten hier eine Festungsanlage von der man heute noch ein paar Ruinen sieht. Die Flussufer bei Harsova sind gesäumt von Klippen und Felsen. Das Städtchen selbst – eine typische Plattenbausiedlung – wirkt trotzdem freundlich und lebendig. Überall sind Leute auf der Straße, Kinder spielen. Aufgrund der Geschichte des Ortes leben hier bis heute nicht nur Rumänen und Roma, sondern auch Russen und Türken. Entsprechend ist auch das Stadtbild geprägt von Kirchen verschiedenster Konfession. Am stattlichsten ist eine neue orthodoxe Kirche mit goldenen Dächern, die den ganzen Ort überragt.
Da ich früh am Ziel bin nutze ich die Nachmittagssonne und spaziere durch den Ort, die Ruine der alten Festungsanlage und die Klippen am Fluss. Ein Stück weiter flussabwärts gibt es hier warme Schwefelquellen. Die sind für mich heute aber nicht mehr erreichbar und ich notiere das für die nächste Rumänien-Reise. So wie ich mich kenne, kommt die bestimmt. Insgesamt ist das ja nun auch schon mein vierter Besuch in Rumänien.
Nach einem wunderbaren und bunten Radtag habe ich dann noch eine eher schmerzliche Erkenntnis: Die Bahnreise nach Hause liegt eigentlich nicht mehr wirklich in meinem Reisebudget. Das Flugticket könnte ich mir noch ohne Probleme leisten, aber nicht die Bahn. Das ist doch einfach nur traurig! So etwas darf es meiner Meinung nach nicht geben. Natürlich ist Fliegen quersubventioniert und die Flugpreise sind oft keine richtigen Marktpreise. Auch wird der Spaß viel zu schlecht besteuert. Aber die andere Seite der Medaille ist, dass Bahnfahren (Bahn – Hoffnungsträger der Verkehrswende!) einfach viel zu teuer ist. Innerhalb Deutschlands und überregional. Ein Thema über das ich mich als Bahnfahrer echt lange aufregen könnte.
Aber es nützt nichts. Mein Kontostand ist nicht mehr so rosig. Ich will trotzdem Zug fahren. Natürlich könnte ich bei meiner Familie um einen Zuschuss bitten, aber Milena meint, ich soll es doch mal mit ein bisschen Crowdfunding versuchen. Nun – warum eigentlich nicht? So überlege ich mir, dass ich gegen eine kleine Spende Postkarten verschicken könnte. Postkarten vom Ende meiner Reise, das jetzt wirklich in greifbare Nähe gerückt ist.
Mir bleibt daher, den heutigen Tag mit gleich zwei Blogeinträgen zu beschließen: Einem Spendenaufruf und meinem kleinen Reisetagebuch hier.
Wie immer wünsche ich viel Spaß beim lesen und freue mich, dass so viele da draussen immer noch bei meinen Geschichten mit dabei sind. Dafür vielen Dank!

Rund um Harsova

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Georgina Demmer

    Ach, wie schön zu lesen, dass es auch mal wieder ein bisschen entspannter weitergehen konnte! Und nun bist du fast am Ziel! Klasse Idee mit dem Crowdfunding. Kam, soweit ich erfahren habe, von Sophia. Ich bin jedenfalls dabei, denn mit dem Flieger, das würde doch viel zu schnell gehen! Ich wünsch‘ Dir noch ganz viel Glück für ein entspanntes Ankommen am Ziel! Herzlich, Georgina

  2. Widmann Heinrich

    Crowdfunding
    Das Wort „Crowdfunding“ gefällt mir. Schade, dass es englisch ist.
    Es hört sich für mich an wie: ……..Kraut finden
    Ich überlege mir gerade noch eines deutsches Pendant dazu.

    Nachdem du soviel übers Essen geschrieben hast, wollte ich dir mitteilen, dass es bei uns heute Schupfnudeln mit Kraut gibt.
    Selbstverständlich sind die Nudeln selber gemacht. (halb Roggen, halb Weizen)
    Mehl und heißes Wasser, mehr braucht es nicht, Und dann „schupfen“ bis die Finger weh tun. Als altem Gourmet wollte ich dir noch mitteilen dass der Apfel der im Kraut mit gekocht wird ungespritzt ist, und mir gestern beim walken über den Weg gelaufen ist. Das Lorbeerblatt ist uralt und stammt noch aus dem Fundus Deiner Mutter.
    Johannes hat für uns beide gerade per paypal 50 € überwiesen.
    Er frägt an, ob er für seine 5 € auch eine Karte bekommt. ?

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