Über meinen Aufenthalt in Graz kann ich gar nicht so viel erzählen. Den 17.09.2020 habe ich hauptsächlich dafür genutzt meine Wäsche zu waschen und mich als Fernsehverweigerer mal wieder auf den neuesten Stand in Sachen Hartz IV TV zu bringen. Als ich Frauentausch und Astro TV dann nicht mehr ertragen konnte und alle Bildungslücken geschlossen waren, bin ich doch noch etwas müde für eine kurze Runde in die Stadt geschlappt. Die Grazer Innenstadt ist fein herausgeputzt, aber der etwas weiter gefasste Stadtkern wirkt auf mich eher grau und dröge – ja geradezu ein bisschen heruntergekommen und ärmlich. Ein Graffito, das mir auffällt, scheint das ganz gut zusammen zu faßen: „Graz braucht mehr Farbe“. Der Titel „Graz – UNESCO City of Design“ wird zumindest bei einem kurzen Rundgang durch die Stadt nicht ganz klar. Daran ändert auch die futuristische Kunsthalle am Ufer der Mur nichts.
So gehe ich denn relativ bald ins Bett, denn ich fühle mich gerade auch gesundheitlich ein bisschen angeschlagen. Die Nase schnupfelt ein wenig und das braucht man natürlich auf dem Fahrrad nicht unbedingt.
18.09.2020
Am frühen Morgen verlasse ich denn das A&O Hostel in der Nähe des Grazer Hauptbahnhofs in Richtung Süden. Meine heutige Etappe folgt in weiten Teilen dem Murradweg und ich fühle mich schon fast wieder wie an der Donau. Es gibt Laufkraftwerke, Industrie und Dammwege. Die leicht hügelige Landschaft wirkt jedoch aufgelockert und wird spätestens nach der slowenischen Grenze deutlich durch Weinberge geprägt.
Am gestrigen Abend habe ich noch erfahren, dass Deutschland nun auch Teile von Österreich auf die rote Liste gesetzt hat (darunter Wien). Meine Anspannung bezüglich der noch vor mir liegenden Grenzen nimmt daher weiter zu und ich merke, wie ich langsam meine Komfortzone verlasse. Die Komfortzone an der österreichisch-slowenischen Grenze zu verlassen klingt eigentlich im 21. Jahrhundert lächerlich. Ich war als Backpacker in Asien und im Kaukasus unterwegs, hab je ein halbes Jahr in Kanada und Lettland verbracht und bin eigentlich auch sonst kein übertrieben ängstlicher Mensch. Aber in diesem Jahr ist einfach nichts normal und man kann sich irgendwie auf gar nichts verlassen. Das macht die ganze Sache zwar auch interessant, aber durchaus auch nervenaufreibend.
An der österreichisch-slowenischen Grenze bei Spielfeld merkt man am heutigen Tag aber nichts. Die Kontrollstellen sind unbesetzt und so rolle ich neben PKWs und LKWs auf meinem Drahtesel nach Slowenien. Nun habe ich noch ein paar Hügelchen vor mir und dann bin ich an meinem heutigen Tagesziel: Maribor.
Mein heute gebuchtes Hostel ist gähnend leer. Ich habe das Gefühl, der einzige Gast zu sein und so bleibt mir dann auch ein Vierbettzimmer zur alleinigen Nutzung. Ich will mich ja nicht beschweren, aber an einem Freitag Abend führt einem das die aktuelle Reisesituation wieder deutlich vor Augen. Ebenso wie die reizende, kleine aber völlig menschenleere Altstadt von Maribor.
Maribor war 2012 europäische Kulturhauptstadt – eine Auszeichnung, auf die man auch 2020 noch allerorten trifft. Und tatsächlich macht Maribor einen lebendigen, bunten und kulturell interessanten Eindruck. Mein Hostel ist in einem Kreativquartier mit Namen Pekarna, bestehend aus alten Hallen, die für Konzerte und Veranstaltungen genutzt werden, aber auch Künstlern Raum für Ateliers und Werkstädten bieten. In der Stadt begegnen einem (Ton-)kunstinstallationen, ein herausgeputztes Theater und auch das Völkchen macht einen bunten Eindruck. Ich mache nicht nur den typischen H&M-Einheitsbrei aus, sondern entdecke auch ein paar Punks, Hippies und Gruftis im Stadtbild. Von Joscha erfahre ich, dass er mit den Grausamen Töchtern hier bereits ein Konzert gespielt hat. Das scheint zu passen. Auf Maribor wäre ich außerhalb von Corona durchaus noch einmal neugierig und ohne diese Reise vermutlich nie gekommen!
19.09.2020
Nach meinem Frühstück im Hostel wir das Ross gesattelt und weiter geht die wilde Jagd. Ab Maribor folge ich nun der Drau, die mich hoffentlich an der kroatisch-slowenischen Grenze wieder zur Donau bringen wird.
Die Etappe bis zur kroatischen Grenze gefällt mir gut. Kleine Sträßchen, eine abwechslungsreiche und durch den Fluß geprägte Landschaft, gut ausgeschilderte und ausgebaute Radwege und die Gegend wirkt insgesamt recht wohlhabend.
Das Wetter ist auch heute gut, allerdings weiß ich nie so richtig, welche Kleidung ich tragen soll. Ohne Jacke ist mir zu kalt, mit Jacke zu warm und am Ende des Tages habe ich mir trotz diesigem Himmel einen leichten Sonnenbrand geholt. Den ersten auf dieser Reise. Was soll’s!
Gegen Mittag komme ich durch Ptuj. Noch so ein Ort, von dem ich noch nie etwas gehört habe, der sich da aber mit wundervoll herausgeputzter, mittelalterlicher Altstadt und einer Burg präsentiert. Ich lese, dass Ptuj die älteste Stadt Sloweniens und des ehemaligen Herzogtums Steiermark ist. Na dann! Hallo Ptuji. Nach kurzer Pinkelpause fresse ich die letzten Kilometer bis zur Grenze nach Kroatien.
An der slowenisch-kroatischen Grenze wird mein Ausweis bei Ein- und Ausreise kontrolliert. Touristen müssen sich derzeit bei Einreise nach Kroatien registrieren. Da ich das online aber schon erledigt hatte, gab es keine weiteren Fragen. Nur der Grenzer sah mich etwas missbilligend an, da ich erst einmal übers Ziel hinausgeschossen war. Die Schranken waren offen und ich hatte nicht gesehen, dass im Grenzhäuschen jemand sitzt. Der gute Mensch fand es nicht so gut, dass ich einfach ohne Gruß an ihm vorbeifahren wollte und hat mich natürlich zurück gepfiffen. Es blieb aber bei einem missbilligenden Blick.
Ja – und dann war ich in Kroatien und damit zum ersten mal auf dieser Reise in einem sogenannten Corona Hotspot – was auch immer das heißen mag. Klar ist nun aber, dass ein Umdrehen mit dem Rad jetzt schwierig wird, da ich überall in Quarantäne müsste. Die Heimreise per Bus und Bahn wäre aber nach wie vor möglich, denn der Transit durch Österreich oder Slowenien wäre auch ohne Quarantäne erlaubt, allerdings muss dieser dann auch innerhalb von ein paar Stunden erfolgen. Das wäre mit dem Rad nicht zu bewältigen. Also zumindest im Sattel gibt es jetzt kein zurück mehr, sondern nur noch ein vorwärts.
Kroatien empfängt mich mit einer großen, vielbefahrenen Landstraße, die gefühlt ohne größere Unterbrechungen bis an mein heutiges Tagesziel auf beiden Straßenseiten immerzu bebaut ist. Aber nur in der ersten Reihe. Man fühlt sich wie in einem gigantischen, hässlichen Straßendorf und permanent brettern große LKWs an mir vorbei. So einen ungemütlichen Abschnitt hatte ich bisher noch nicht und ich bin froh, als ich am frühen Nachmittag Varazdin erreiche.
Varazdin – für mich auch wieder so ein nichtssagenden Ort, aber tatsächlich wieder eine echte Überraschung. Das beginnt schon bei meiner Pension in der ich für 28 Euro ein fantastisches Zimmer mit Frühstück habe. Die Innenstadt von Varazdin ist richtig hübsch. Es gibt tolle Parks, eine alte Burg mit Wallanlagen und überall erklingt Musik. Auf dem Hauptplatz steht das Tor zu einer Kirche sperrangelweit offen, und ich gehe hinein und lausche ein halbes Stündchen einem fantastischen Orgelkonzert. Im Park neben der Burg ist für einen Konzertabend bestuhlt und das Orchester ist gerade am proben. Auch hier mache ich eine kleine Pause. Plakate kündigen vom Barock-Sommer in Varazdin, zu dem auch das anstehende Konzert gehört. Ich lese, dass Varazdin sogar Eingang in eine Operette gefunden hat: „Komm mit nach Varazdin, so lange dort die Rosen blühen…“ heißt es in einem Duett aus „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kalman. Auf diese Information stoße ich auf einer Tafel in einem Stadtpark, höre das besagte Stück jedoch gleich nach und stelle fest, dass ich das durchaus kenne.
Auf einer Terrasse beschließe ich den Tag mit einer Pizza und spaziere dann noch mit einem Hörbuch im Ohr durch die Stadt bis es mir zu frisch wird. Nach den elenden ersten Kilometern in Kroatien war das barocke Kleinod Varazdin mit seinen nicht weniger als 13 Kirchtürmen im Stadtbild eine echte Überraschung.
Jetzt freue ich mich auf eine letzte Nacht im Bett, denn vor mir liegen jetzt zwei Nächte im Zelt. Wildcamping ist angesagt. Um nicht zu viel Daten zu verballern melde ich mich wieder in drei Tagen aus Osijek wenn ich wieder ein W-lan habe.
Varazdin, ja die Operette kenn ich auch! Wusste allerdings nicht, dass das aus Kroatien kommt. Macht einen total hübschen Eindruck! Hoffentlich kommst du aus dem Hotspot unbeschadet wieder raus. Du bist ja immer gut für Überraschungen, hoffentlich keine negativen. Ich dümple immer noch in Bogenhausen herum☹️auch bei bestem Wetter. Na dann, bis in drei Tagen😏Mama
Bernhard….bist Du wieder gesund ?
Kannst Du auf dieser Blogseite auch Musik hochladen ?
(„komm fahr mit mir nach Varadzin…dort wo die rodden Rosssen bliehn“
oder was von den Oberkrainer wie Slavklo Avsenik. In Slovenien gabs angeblich schon vor über 300 Jahren Blaskapellen.
Die Wiege der Blasmusik ist nicht in Bayern sondern da unten, Maribor ?
… immer wieder so interessant, Deinen Bericht zu lesen, lieber Bernhard! Ich wünsch‘ Dir gaaaaanz viel Glück weiterhin!