Es ist unglaublich wie schnell die Zeit vergeht. Bereits einen ganzen Monat bin ich nun wieder zu Hause. Bei meinem Einstieg in den Nachtzug von Bukarest nach Wien hatte ich noch den festen Vorsatz, recht zeitnah noch einen abschließenden Beitrag zu schreiben. Kaum zurück in Deutschland jedoch hatte mich der Alltag mit so einer Macht wieder, dass ich meinen Abschlussbericht zu meiner großen Reise bis heute nicht geschrieben habe. Schande über mein Haupt und höchste Zeit, dies nun nachzuholen.
Das Ende meiner Reise verlief nach all den Aufregungen dann herrlich reibungslos und unspektakulär. Am 21.10.2020 nahm ich gegen Mittag den Zug von Constanta nach Bukarest. Beim Einstieg gab es eine kleine Auseinandersetzung mit dem Schaffner, der mich mit meinem Rad zunächst nicht mitfahren lassen wollte. Warum hat sich mir nicht ganz erschlossen. Als der schimpfende Schaffner von Dannen zog und mich ratlos am Bahnsteig vor dem Zug zurück lies, kam ein Kollege des Ersteren und bedeutete mir, ich möge auf das Geschimpfe jetzt nicht so viel geben und einfach einsteigen. Manche Dinge muss man nicht verstehen. Auf dem Weg von Constanta nach Bukarest überquerte ich nochmal die Donau – diesmal mit dem Zug. Es war schön einen Ort zu sehen, den ich noch vor wenigen Tagen mit dem Rad passiert hatte. Im Zug wurde mir dann noch die Luftpumpe vom Rad weggeklaut. Aber wenigstens ist das passiert, als ich alle Fahrkilometer hinter mir hatte. Ich musste sehr lachen über diesen Vorfall.
Mein zwei Nächte dauernder Aufenthalt in Bukarest war unspektakulär und entspannt. Am ersten Abend habe ich mich mit einer Freundin auf ein Bier getroffen, die für mich postalisch meine Fahrradtasche empfangen hat. Ich hatte mir gebraucht eine große Fahrradtransporttasche besorgt, um mein Rad für den Heimweg verpacken zu können. Diese Tasche konnte ich natürlich nicht mit mir führen und so habe ich sie nach Rumänien schicken lassen. Die Übergabe erfolgte bei ein paar Cuba Libre, Bier und Pizza.
An meinem zweiten Tag in Bukarest habe ich noch einmal einen Coronatest gemacht, um mögliche Schwierigkeiten auf der Rückreise und in Deutschland eine Quarantäne vermeiden zu können. Davon abgesehen konnte ich nicht mehr viel anstellen. Bukarest war bereits in einer Art Teil-Lockdown. Restaurants hatten zwar noch offen, aber nur im Außenbereich. Meinen letzten Abend in Rumänien habe ich noch mit einem ziemlich umfangreichen Abendessen in einem Restaurant beschlossen, dass ich bereits von früheren Reisen her kannte. Und dann stand sie auch schon an: Meine Heimreise. Dank der tollen Unterstützung von so vielen meiner Lesern konnte ich mir den Wunsch erfüllen, und mit dem Nachtzug von Bukarest nach Wien fahren. Mein Rad hatte ich mittlerweile zerlegt und in meiner Tasche verpackt und so bestieg ich den Nachtzug nach Wien. Ich hatte für mich und mein Rad eine Einzelkabine, wobei das Gefährt das obere Bett bekam und ich das untere.
Bis zum Sonnenuntergang hatte ich immer wieder tolle Blicke auf die herbstlich gefärbten, rumänischen Karpaten. Ganz langsam zockelte der Zug gen Süden. Hörbuch hörend schaukelte ich so auf meiner Liege Wien entgegen. An der ungarischen Grenze wurde ich gegen 2 Uhr am Morgen geweckt. Hier wurde nicht nur der Ausweis kontrolliert, sondern es kam auch jemand ins Abteil zum Fieber messen. An der österreichischen Grenze wiederum hat niemand kontrolliert.
In Wien angekommen bin ich am Hauptbahnhof in das Informationszentrum der ÖBB gegangen. Ich hatte bereits ein Ticket für meinen Anschlusszug nach München, war mir aber nicht sicher, ob ich noch ein Radticket benötigen würde. Mir wurde gesagt, dass das Rad ja zerlegt sei und ich daher kein extra Ticket benötigen würde.
In meinem Zug nach München aber wurde ich sofort von einer mega unfreundlichen Schaffnerin empfangen, die mich samt Fahrrad wieder auf den Bahnsteig befördern wollte. Die Furie ließ mich überhaupt nicht zu Wort kommen und schrie nur herum. Mehrfach hatte ich angeboten, ja ein Radticket nachlösen zu können – ich glaube das hat sie gar nicht gehört. In ihrer Schimpftirade erwähnte sie an irgend einem Punkt, dass alle Gepäckstücke über den Köpfen im Gepäckfach zu verstauen seien. Daraufhin habe ich einfach meine Radtasche gepackt und sie im Gepäckfach über meinem Sitz verstaut. Das ging tatsächlich ganz gut, auch wenn es relativ gefährlich aussah. Mit dieser Aktion konnte ich ihr dann offenbar den Wind aus den Segeln nehmen, denn sie zog funkensprühend und qualmend von dannen. Ich habe daraufhin dann gleich im Zug noch eine Beschwerdemail an die ÖBB geschrieben und mich gleich wieder richtig schön zu Hause gefühlt.
Ja – und dann war ich auch schon wieder in Deutschland und zu Hause. Eine fast zwei Monate dauernde Radreise ging da zu Ende, wo Sie am 01.09.2020 auch begonnen hatte – an meinem Wohnort in Martinszell.
Nun – was bleibt von so einer Reise? Von knapp zwei Monaten im Sattel?
– 2.980 Kilometer
– 7 Länder
– 5 platte Reifen
– Drei komplett abgefahrene Mäntel
– Eine gebrochene Felge
– Eine beschädigte Hinterachse nebst zugehörigem Gewinde
– Ein Speichenbruch
– Ein kaputtes Tretlager
– Ein ziemlich angeschlagenes Sitzfleisch
Und sonst?
Wenn ich heute an meine Reise zurück denke, dann fallen mir natürlich viele Erlebnisse ein, aber besonders gerne denke ich an die Begegnung mit Igor, dem Fahrradmechaniker aus Vidin, der mir so toll aus der Patsche geholfen hat. Wie er mich extra noch zum Fähranleger gefahren hat mit seinem Auto und dank falschem Fährplan dann auch noch eine Privatüberfahrt über die Donau für mich organisiert hat, das war wirklich große Klasse und menschlich einfach schön! Und ebenfalls im Gedächtnis wird mir noch für lange Zeit die Etappe durchs Eiserne Tor in Serbien bleiben. Die Gegend war einfach ein absoluter Höhepunkt! Meine Reise war ja kulinarisch nicht unbedingt immer ein Highlight, aber insbesondere auf dieser Passage hat einfach alles gepasst. Herrliches Wetter, super Essen, eine umwerfende Landschaft…. Da würde ich jederzeit mit meinem Rad noch einmal loslegen.
Das wichtigste aber bleibt am Ende dieser Reise die Tatsache, dass ich es geschafft habe. Ich hab durchgehalten und mir selbst bewiesen, dass ich sowas kann.
Der Reise selbst ging ja keine lange Planung voraus. Ich habe einfach im Rahmen des Insolvenzverfahrens festgestellt, dass es ganz dringend Zeit wird, irgendetwas zu unternehmen. Ich war so geknickt und demotiviert. Mir war natürlich immer klar, dass ich persönlich keine Schuld am Ende der Firma Trails habe, da ich mir die äußeren Umstände in diesem verhexten Jahr ja nicht ausgesucht habe. Trotzdem ist da immer dieses kleine, bohrende Stimmchen, dass einem versucht einzuflüstern, dass es eben nicht ausgereicht hat, was man selbst geleistet hat. Ich konnte den Niedergang ja auch nicht verhindern. Irgendwie hatte ich das Gefühl, versagt zu haben, auch wenn mir rein rational immer klar war, dass das Quatsch ist. Ich musste ganz dringend irgendetwas unternehmen, was mich auf andere Gedanken bringt und mir vor allem selbst zeigen, dass ich genug Kraft und Biss hab um Dinge auch zu Ende zu bringen, wenn ich sie denn selbst in der Hand habe. So viel dann der Entschluss zu dieser Reise doch relativ spontan. Dabei war ich gar nicht so optimistisch, was den Erfolg der Unternehmung angeht. In meiner geknickten Grundstimmung habe ich es mir zum einen tatsächlich nicht zugetraut und zum anderen hatte ich berechtigte Sorge, dass es an irgendeinem Punkt wegen Corona nicht mehr weitergehen würde. Die Chancen ans Ziel zu kommen, habe ich am Anfang der Reise auf ca. 20 Prozent eingeschätzt. Vielleicht war ich da auch zu pessimistisch, trotzdem ist das für mich echt ein großes Ding, dass ich das hinbekommen hab. Natürlich: Andere Menschen machen viel extremere Dinge. Radeln um die ganze Welt, besteigen die höchsten Berge, durchqueren den Südpol auf Skiern. Aber jeder Mensch ist anders und meine eigene Komfortzone habe ich mit dieser Reise ganz ordentlich ausgereizt und auch verlassen. Ich bin mächtig stolz!
Heimgekommen bin ich mit einer viel größeren Gelassenheit und Zuversicht. Ich hatte ja nach wie vor keine neue Stelle in Aussicht und hatte die Arbeitslosigkeit und den für Touristiker derzeit wahrlich beschissenen Stellenmarkt im Nacken. Aber ich hab das alles viel entspannter gesehen und hatte wirklich verinnerlicht, dass es nicht an mir liegt. Weil ich bin nämlich gut, ich bin intelligent, ich weiß viel und ich kann mich durch schwierige Zeiten auch mal richtig ordentlich durchbeißen wenn es sein muss. In meinem Kopf wusste ich das auch vor der Reise, aber gefühlt hatte ich es nicht mehr. Das alte Selbstvertrauen war nun wieder hergestellt.
Und was soll ich sagen: Es hat gar nicht lange gedauert, da ist sie nun auch zu mir gekommen – meine nächste Arbeitsstelle.
Gerade als ich diese Zeilen schreibe, weiß ich seit zwei Tagen, dass mich meine nächste berufliche Station nach Erfurt führen wird. Die Bewerbung zu dieser Stelle habe ich tatsächlich während meiner Reise auf dem Handy geschrieben. Ich hatte mir auf entsprechenden Apps Vorlagen erstellt, um auch während der Reise auf gute Ausschreibungen reagieren zu können (oder falls das Arbeitsamt von mir möchte, dass ich Bewerbungen schreibe, was ja auch tatsächlich passiert ist).
Noch in Rumänien erhielt ich dann einen Anruf und wurde zu einem ersten, digitalen Vorstellungsgespräch eingeladen. Dieses fand am zweiten November dann vor dem Computer statt. Eine Woche später erfuhr ich dann, dass ich zur engeren Auswahl um die Stelle gehöre und wurde nun auch noch zu einem richtigen Gespräch eingeladen. Dieses fand am 20. November in Erfurt statt und am gestrigen Donnerstag habe ich dann erfahren, dass ich tatsächlich der Wunschkandidat bin und zum 18.01.2021 eine neue berufliche Herausforderung in Erfurt antreten kann. Mein neuer Arbeitgeber ist die Thüringer Tourismus GmbH, eine Gesellschaft, die zu 100 Prozent dem Freistaat Thüringen gehört, und sich um das Destinationsmanagement des Bundeslandes kümmert. Ich werde dort als Abteilungsleiter der Strategischen Produktentwicklung eingestellt. Die neuen Herausforderungen und Aufgaben klingen für mich super spannend und ich bin in einem Bereich des Tourismus, der trotz (oder gerade wegen) Corona im Moment absolut Zukunft hat. Mir ist es gelungen, trotz der schwierigen Bedingungen am Arbeitsmarkt eine Leitungsstelle zu ergattern, die meiner Ausbildung und meinen Erfahrungen entspricht und mich ein gutes Stück vorwärts bringen wird und zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben habe ich auch so etwas wie ein akzeptables Gehalt (was im Tourismus ja leider eher die Ausnahme als die Regel ist).
Die Saat, die ich für diese Stelle noch während meiner Reise gelegt habe, ist nun also aufgegangen. Die kommenden Wochen werde ich nun beschäftigt sein mit Wohnungssuche und Umzug. Das wird sicherlich spannend, denn ich habe ja nicht sehr viel Zeit. Aber ich bin gerade so richtig, richtig glücklich über diese Entwicklung und ich sehe sie durchaus auch im Zusammenhang mit meiner Reise.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich auch nach meiner Reise immer wieder das Jucken in den Beinen hatte und für kürzere und längere Touren aufs Rad gestiegen bin. Mehrmals hat mich da auch Gerd begleitet. Das Titelbild dieses Eintrages ist von einer Tour zum Starnberger See am vergangenen Wochenende. Ich hoffe, dass mir das noch eine Weile erhalten bleibt, auch wenn es jetzt im Winter immer ungemütlicher wird.
Auf einem meiner Radausflüge kam ich kürzlich an der Quelle der östlichen Günz bei Günzach vorbei. Dort heißt es auf einem Schild:
„Sie befinden sich hier am Ursprung der östlichen Günz und sind damit am südlichsten Punkt des Günztals auf einer Meershöhe von 802m. Nach 39 km vereinigt sich der Wasserlauf bei Lauben mit der westlichen Günz und bildet dann die Günz, die nach weiteren 55 km bei Günzburg in die Donau mündet. Sie stehen an diesem Punkt also in direkter Verbindung zum Schwarzen Meer.“
So sind mir also auch im Allgäu die Donau und das Schwarze Meer nochmal in Form einer kleinen Quelle begegnet und haben mich zum Abschied gegrüßt.
Damit möchte ich diese Blog-Serie beschließen. Ich bin gespannt, bei welcher Reise ich wieder einmal Zeit haben werde zu schreiben. Mir hat das großen Spaß gemacht und ich habe mich sehr gefreut, dass so viele mir lesenderweise gefolgt sind. Dafür auch abschließend noch einmal ein Dankeschön und bis bald!
Sehr schöner Beitrag! Ich freue mich und hoffe die Arbeitsstelle ist immer noch passend!